Sonntag, 12. August 2012

Krötenwanderung

Der Spitzname unseres Dreijährigen ist Kröte. Manchmal auch Flauschekröte oder Kuschelkröte.

Heute war Flohmarkt in der Kreisstadt. Bestes Wetter hatte eine ungewöhnlich große Anzahl von Ständen und Besuchern hervorgelockt.

Mein Mann und ich bummelten gemeinsam mit den Jungs in aller Seelenruhe über den Flohmarkt und ich genoss es ausgesprochen, dass er heute nicht wie üblich drängelnd und uninteressiert über den Markt eilte, sondern genauso entspannt war wie ich.
Wir haben sogar noch ein paar tolle Glücksgriffe gemacht. U. a. zwei alte handgewebte Geschirrtücher aus Leinen, die ich zu einem Wichtelgeschenk besonderer Art verbasteln möchte. Und eine Brotschneidemaschine, die sich demnächst mal an Seifenblöcken ausprobieren darf. Die Tradingcards von Clone Wars für meinen Fünfjährigen und die Feuerwehrautos für den Dreijährigen waren auch tolle Anschaffungen. Es ist erstaunlich, mit wie wenig die Kinder so überglücklich sein können. Und ich bin froh, dass es nichts neues sein muss, um sie zu erfreuen.

Soweit, so gut. Bis auf eine kleine Marotte unseres Dreijährigen.

Unsere Kröte ist die Sorte Kind, die sich ungern an die Hand nehmen lässt. Das ist zum Teil sehr anstrengend, besonders wenn wir an Straßen entlanggehen oder durch unwegsames Gelände (am besten noch eines mit Pfützen, die er dann zielsicher ansteuert!). Wenn ich ihn dennoch an die Hand nehme, endet es meistens mit Geschrei und Gehaue meines Dreijährigen - und damit, dass ich die eigenwillige Motze-Kröte entnervt über meine Schulter werfe und aus der Gefahrensituation davontrage (und zwar so, dass es möglichst unbequem für den Zwerg ist, denn ich will ihn ja nicht für sein Gezicke auch noch mit Herumtragen belohnen!).

Auf so einem Flohmarkt ist Herumtragen keine echte Alternative. Also ließen wir den kleinen Kröterich herumspazieren. Das geht natürlich nur solange gut, wie man sich selbst mit dem Strom bewegt und alle zusammenbleiben. Nun haben wir aber unterschiedliche Interessen, und während ich mich gerade mit zauberhaftem Bernstein befasst hatte, war mein Mann mitsamt der beiden Jungs schon etwas weitergelaufen und guckte sich seinerseits irgendwelchen Elektrokram an.

Tja, und Kröte lief weiter mit dem Strom mit und hatte nicht gesehen, dass sein geliebter Papa und der große Bruder stehengeblieben waren...als ich dann zu meinen Männern aufschloss, war die Kröte weg. Auch unser Rufen brachte keine Reaktion.
Ach Mist, wo steckt er denn? Ich lief den Gang zurück, den wir gerade gegangen waren, blieb dann aber in der Nähe des Standes, wo mein Mann stehengeblieben war und die Kröte verlorenging.

Mein Mann lief derweil eiligst die weiterführenden Gänge ab. Keine Kröte.
Nach 15 Minuten war es mir zuviel, ich machte mich jetzt auch auf die Suche nach unserer Kröte. Aber nirgendwo waren seine knallorangen Bermudas zu sehen.

In meinem Kopf ging zu dem Zeitpunkt natürlich schon das komplette Schlagzeilenprogramm der
Revolverblätter Boulevardpresse: "Kinderschänder entführt Dreijährigen" oder gar "Dreijähriger vermisst: Entführt durch Organhändler?"

Normalerweise kann unsere Kröte markerschütternd brüllen und schreien. Aber da schrien nur fremde Kinder, nicht meines. Diese Stille machte mich unruhig.

Letztendlich kehrte ich zum Treffpunkt zurück und fand meinen Mann mit dem Dreijährigen auf seinen Schultern und den Fünfjährigen an seiner Seite. Was für eine Erleichterung! Diese brach sich dann auch sofort Bahn und ich fiel meinen Männern heulend um den Hals. Es war mir völlig egal, was andere Leute bei meinem Anblick gedacht haben mögen. Ich hatte meine Kröte wieder, und der ging es auch noch richtig gut!

Unsere Kröterich hatte bei seiner Wanderung offensichtlich überhaupt noch nicht bemerkt, dass er uns abhandengekommen war (oder wir ihm!). Und deswegen fand mein Mann den Dreijährigen auch nicht in Tränen aufgelöst und laut brüllend, sondern entspannt am Daumen nuckelnd und herumschlendernd vor.

Den Kleinen hatte er am weitestmöglich entfernten Punkt des Flohmarktes aufgegabelt. Er muss fast 400 Meter gelaufen sein. Und weil er total ausgeglichen und keineswegs verlorengegangen aussah, hat sich auch keiner seiner angenommen.

Nächstes Mal kommt der Dreijährige entweder in den Buggy (und wird darin angeschnallt, ob es ihm passt oder nicht!) oder er wird bei Oma und Opa geparkt, damit wir Eltern in Ruhe mit dem Fünfjährigen bummeln können.

Als allerletzte Alternative besorge ich ein Geschirr und er kommt an eine Automatikleine. Und es ist mir piepsegal, ob man mich deswegen der Kinderquälerei bezichtigen will. Wem noch nie ein kleines Kind oder ein verwirrter älterer Anverwandter verlorengegangen ist, der kann gar nicht beurteilen, welche Angst man aussteht, bis der geliebte Mensch wieder da ist.

Ich hoffe, bei meiner Kröte verwächst sich die Neigung zu ausgeprägten Krötenwanderungen in Zukunft, sonst ergraue ich noch vorzeitig!

Gott sei Dank, die Kröte ist wieder da von ihrer Krötenwanderung. Ich bin so erleichtert und dankbar. Und irgendwann werde ich auch über diese irre Geschichte lachen können, ohne Gewissensbisse zu bekommen, dass ich nun eine schlechte Mutter sein könnte.




4 Kommentare:

  1. Oh ja, das kenne ich, wenn die Kinder verloren gehen. Ist mir bei allen meinen Kindern mindestens einmal passiert.
    Mein Sohn ist mir mit 1,5 Jahren auch abhanden gekommen, auf einem Campingplatz in Südfrankreich. Ich war mit Freunden dorthin gefahren und wir waren dabei, das Auto auszupacken. Zig Erwachsene waren um die Kinder rum. Einen Moment umgedreht und mein Andreas war weg, wie vom Erdboden verschluckt. Wir haben auf diesem riesigen Campingplatz gesucht und gesucht. Unsere verzweifelten Bemühungen blieben nicht unbemerkt, so dass sich viele Campingurlauber der Suche anschlossen. Ich malte mir auch schon Horrorszenarien aus. Kind im Meer ertrunken, Kind entführt und und und....
    Letztendlich fanden wir meinen Andreas außerhalb des Campingplatzes in einer riesigen Wasserlache suhlend, glückselig vor sich hinmatschend. Ich kann gar nicht beschreiben, wie froh ich war, ihn gefunden zu haben. Leider ist es nicht bei diesem einmaligen Vorfall geblieben. Er war öfters weg, war einfach ein sehr abenteuerlustiges Kind.
    Liebe Grüsse von Christina

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  2. Oh ja, den Schreck kann ich gut verstehen... Gott sei Dank ist alles gut gegangen!

    LG
    Dagmar

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  3. Liebe Liz, du bist die beste Mama der Welt und als solche Mama darfst du deine Kröte auch an die lange Leine legen. Ich kann das verstehen, wir haben unsere Nichte vor Jahren im Europapark in Rust verloren. Ich hab Blut und Wasser geschwitzt bis sie wieder da war.
    Und besser wird es mit zunehmendem Alter auch nicht. Ich muß immer nach meinem Männe gucken, ob er in die U-Bahn reinkommt oder ob er mit in ein Geschäft nachgeht usw usw.
    Liebe Grüße
    Marina

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  4. Ich kann mich nur Marina anschließen; es wird nicht besser, nur anders.
    Die vorzeitig grauen Haare sind dir also sicher - ich schreibe definitiv aus Erfahrung!
    LG Marlene

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