Dienstag, 10. Mai 2011

Vorn bleibt vorn!

"Die ersten werden die Letzten sein", so steht es in der Bibel im Neuen Testament.
Im Matthäus-Evangelium wird es gleich zweimal erwähnt und auch Markus und Lukas nahmen sich dieses Themas an.

Da will ich mich doch mal ganz dreist anschließen und eine moderne Interpretation dieses Bibelwortes nachliefern.

Heute - wie so häufig - erlebte ich im Supermarkt folgende Situation:

Die Schlange vor der einzigen Kasse ist gefühlte Kilometer lang. Es staut sich bis zur Tiernahrung und zum Waschmittel.
Langsam und geduldig bewege ich mich mit meinem halbvollen Einkaufswagen, dem Einjährigen im Klappsitz und dem Vierjährigen als Ballastgewicht am Drahtkorb anhängend nach vorn. Die Kassiererin tut, was sie kann, und sie ist wirklich schnell. Trotzdem kommt es mir vor, als würden die Sekunden aus der Uhr tropfen. Zum Glück sind die Kinder entspannt und erstaunlich ruhig.

Nach einigen Minuten sind wir von Platz 10 auf Platz 5 in der Warteschlange vorgerückt. Hinter uns stehen bestimmt noch 8 weitere Wartende.

Da erbarmt sich einer der Supermarktbeschäftigten, lässt die halbabgeräumte Palette stehen und öffnet eine zweite Kasse. Wunderbar, denke ich, und mache mich bereit, aus der Reihe auszuscheren und mich an der neueröffneten Kasse anzustellen. Denn so langsam werden meine Kinder unruhig und verlieren die Geduld. Da bin ich für jede gesparte Minute dankbar.

Zu früh gefreut. Jetzt setzt der allgemeine Verdrängungswettbewerb an der Kasse an. Sozialdarwinismus in Reinkultur. Wer am schnellsten rennen kann, bekommt die besten Plätze.

Und so eine lahme Vollzeitmutti mit gleich zwei Ballastgewichten im Einkaufswagen kann man wunderbar beiseitedrängen, überholen, sich davor schieben.

Es ist in höchstem Maße ungezogen, dass sich die Schnelleren einfach vordrängen. Vorn bleibt vorn.

Was mich besonders enttäuscht, sind die vielen Leute im Rentenalter, die sich diese Ungezogenheit zu Eigen gemacht haben und wahrscheinlich bei nächster Gelegenheit dann wieder lauthals über die unmögliche Jugend (also alles unter 50 Jahren) lamentieren und polemisieren.
Haben die vergessen, dass sie einst auch mal mit Kindern als Entschleuniger einkaufen waren?

Ich bewahre dann meistens Ruhe. Diskutieren mit diesen Leuten bringt ohnehin nichts. Und, statistisch gesehen, haben sie auch mehr Grund zur Eile als ich. Mir bleibt wohl noch mehr Restlebenszeit, da kann ich gern ein paar Minuten länger an der Kasse warten. Trotzdem juckt es den unzivilisierten Seelenanteil in mir, sich mal von seinen Ketten zu befreien und laut zu sagen "lasst man die alte Dame vor, Kinder, die hat nicht mehr so lange zu leben".

Manchmal wünsche ich mir sogar, dass meine Kinder in solchen Momenten zu kreischenden, bockenden Joghurtschmeißern werden...oder dass mein Vierjähriger mal lautstark mit Kindermund kundtut, wie daneben das Verhalten solcher Leute ist.
So aber bleibt mir nur übrig, mich fremdzuschämen und meinen Jungs leise zu erklären, dass das Verhalten der alten Dame, die sich gerade vorgedrängelt hat, nicht in Ordnung ist und dass Zivilisation bedeutet, nicht auf jede Grobheit noch einen Klotz draufzusetzen.
Auch wenn der Neandertaler in einem gerade an der Kette zerrt.

Also, liebe Vordrängler (im fortgeschrittenen Alter):
Die ersten werden die letzten sein, und die letzten werden die ersten sein.
Eines Tages seid Ihr mit dem Rollator unterwegs und nicht mehr so beweglich wie heute. Dann werde ich keine Kinder mehr im Einkaufswagen mitfahren müssen und wesentlich schneller sein. Und meine Kinder werden dann Pubertierchen sein, Euer liebstes Feindbild. Sie sind die Jugend von morgen. Vielleicht sind sie sogar die Altenpfleger von übermorgen.

Überlegt Euch genau, ob es sinnvoll ist, das Recht des Stärkeren so gedankenlos durchzusetzen. Ihr werdet nicht immer die Stärkeren bleiben.

Das ist es, was das Bibelwort, das immer nur halb zitiert wird, wirklich aussagt.

Und noch was: Wenn Ihr nett gefragt hättet, ob ich Euch mit Euren zwei Teilen netterweise an der Kasse vorlassen könnte, hättet Ihr ein freundliches Ja und ein Lächeln draufzu bekommen.

Wie wäre es mal mit Nachdenken...

Liebe Grüße
Postpanamamaxi

PS: Zum Glück sind die allermeisten Leute, die uns beim Einkaufen begegnen, netter und hilfsbereiter Natur.
Die Drängler und Ellenbogennutzer sind zum Glück in der Minderheit, aber wie bei einem Fruchtkompott reicht schon ein faules Früchtchen, um alles zu verderben.

6 Kommentare:

  1. Oh ja.. die älteren Damen und Herren.. obwohl meist sind es Damen gibt es immer mal wieder. Als ich in einem anderen Leben Buchhändlerin war, habe ich die Rentner geliebt, die 5 min vor Ladenschluss gerne noch 30 min Bertatung gehabt hätten und nun mag ich die Drängler ja soooo gern..
    Ähnliche Gedanken wie Dir hinsichtlich der Lebenszeit gingen mir da auch schon durch den Kopf. Eines schönen Tages fehlt wahrscheinlich nur noch dieser Tropfen und so ein Spruch rutscht mir raus.. *gg
    LG Katja

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  2. Danke! Du hast mir aus der Seele gesprochen! Glg. Tascha!

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  3. Neulich vor der Fleischtheke drängte sich eine ältere "Dame" vor.
    Obwohl sie nur ein paar Wiener wollte, habe ich darauf bestanden zuerst bedient zu werden. Hätte sie gefragt, hätte ich „ja“ gesagt.
    Übrigens, Kinder und Erwachsene mit kleinen Kindern biete ich grundsätzlich an, sich mir „vorzudrängen“
    Liebe Grüße

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  4. Das hast du aber gut wiedergegeben, Panamamaxi. Du hättest ruhig laut zu deinem Ballastgewicht sagen können,dass das Verhalten dieser Ommi nicht gerechtfertigt ist und dass bei euch andere "Regeln" gelebt werden. Laut und deutlich. Das hab ich mir angewöhnt.
    Ich bin auch schon Oma betreue mit meinem Mann unsere 11jährige Enkeltochter. Inzwischen nehme ich mir die Freiheit, laut und deutlich zu sagen, was nicht stimmt bei solchem Verhalten.
    Ich hab einem Opa auch schon mal "Korinthenkacker" hinterhergerufen, als der mich angepöbelt hat, weil ich vor 10 Uhr mit dem Rad in der Stadt unterwegs war (ab 10 ist das Radfahren dort verboten). Mir macht es oft Spaß, in die grimmigen Gesichter vieler oft älterer- Menschen zu gucken, wenn ich dort Rad fahre. Es macht mir auch Vergnügen, besonders auffällig diese Menschen anzulächeln, aber du merkst sicher auch, dass es eigentlich der Groll in mir nagt. Wir sind eine überalterte Gesellschaft und das macht sich in vielen Bereichen bemerkbar. -ich könnte noch ellenlang weiterschreiben-, aber ich hör hier mal auf.
    LG Heidi

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  5. Das hast Du mal wieder super treffend beschrieben. Mir gehen die Drängler auch sowas von auf'n Zeiger.
    Ich stand mal an der Kasse, hatte 3 Sachen bereits auf dem Band liegen und hinter mir stand KEINER! Die Kundin vor mir war gerade fertig, da kam von hinten eine 50+ angestochen, flitzt an mir vorbei und sagt so beiläufig: "Ich darf doch!" Das war eine Feststellung, keine Frage und zudem absolut unnötig. Unverschämt wie ich nunmal bin sagte ich: "Nein, Sie dürfen nicht!" Das war natürlich auch eine Feststellung von mir. Da hat die Alte sich aufgeführt und herumgebrüllt, wie unverschämt ich doch wäre, sie hätte ja nur diese Margarine und müsse nach Hause und ihren Kuchen fertig backen. Ich schwöre, die hat den ganzen Supi rebellisch gemacht. Ich hab' dann auch mal meine Stimme erhoben und ihr erklärt, dass mich das Null interessiert und sie Ihren Kadaver schön hinter mich verfrachten solle. Die Kassiererin war schon ganz blass. Die ganze Zeit hinter mir hat sie herumkrakeelt, war mir aber wurscht, ich hab' Ihr dann etwas lautstark erklärt, dass es doch nun mal wieder gut sei.
    Ich finde aber, dass man es den Leuten schon ansieht und ganz schlimm ist es beim Metzger oder Bäcker! Ich habe mir angewöhnt, wenn ich eine/n sehe mit dem typischen Vordrängel-Gesicht, den/die permanent mit starrem Blick zu fixieren und dabei denke ich dann die ganze Zeit: "Trau' Dich nicht!" Das wirkt - aber nur wenn man wirklich in der Lage ist, böse zu kucken. Ich nehm' da auch kein Blatt mehr vor den Mund und zuweilen - ich geb's zu, rutscht mir auch mal ein "halt die Fresse" o. ä. raus. Am allerschlimmsten finde ich aber die "Alten" (manchmal sind sie ja noch gar nichtso alt), die ständig an Kindern rummeckern wenn die draußen spielen und sie Mittagsschlaf halten wollen. Ich hab' das selbst erlebt als Kind und muss sagen, mein Respekt vor dem Alter hat schon in früher Jugend doch etwas abgenommen ...
    Hoffentlich werden wir nicht so ...
    Liebe Grüße

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  6. Selten hab ich mich in einem Blog-Bericht so sehr wieder erkannt! So oft hab ich mich schon über diese völlig rücksichtslosen Leute geärgert und immer die Klappe gehalten - Respekt vor dem Alter war mir immer selbstverständlich, mich hat meine Oma großgezogen ;-) - bis vor kurzem so ein grenzdebiler Rentner auf der Jagd nach Billig-Geranien meinen Vierjährigen mit dem Einkaufswagen angefahren hat. Statt sich zu entschuldigen, hat der Kerl den Kleinen dann auch noch angebrüllt, da bin ich dann ausgerastet und hab ihn in die Senke gestellt, Alter hin oder her. Nicht höflich, aber sehr entspannend!
    Herzliche Grüße, ayesha

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