Dienstag, 25. Oktober 2011

Begegnung am Nachmittag

Gestern nachmittag musste ich noch einige Pakete zur Post bringen.

Auf dem Rückweg zu meinem Wagen kreuzte ein Kleinwagen mit zwei sehr jungen Männern und zwei Kindern meinen Weg. Das größere Kind, geschätzte 5 Jahre jung, saß auf der Rückbank auf einer dieser sogenannten Sitzerhöhungen, die zwar lt. Norm zugelassen sind, aber praktisch keinen nennenswerten Sicherheitsvorteil bieten.

Das kleinere Kind, unter 2 Jahre jung, saß auf dem Schoß des Beifahrers.

Es gibt Dinge, da kann man nicht hinsehen.
Weil sie einem die Seele aufwühlen und den Frieden rauben.

Aber es sind genau diese Dinge, wo man nicht wegschauen darf.
Wo man hingehen muss und sich notfalls gepflegt unbeliebt machen muss.

Weil es um Kinder geht, die sich nicht selbst schützen können, und die nicht über ihre eigene Sicherheit entscheiden können.

Also bin ich zu dem Wagen gegangen und habe die beiden Männer angesprochen mit ruhigem Tonfall.

"Ihr wisst, dass das furchtbar riskant ist, was Ihr da mit dem kleinen Mädchen gemacht hat."
- "Ja, wissen wir."

"Habt Ihr denn keinen Kindersitz für die kleine Motte?"
- "Da ist die Mutter mit weggefahren."

"Das ist mir auch schon passiert, dass mein Mann mit den Sitzen für meine Jungs weggefahren ist und ich dann zuhause mit den Kindern festsaß. Aber dann bleibt man eben zuhause. Dann gibts halt kein Abendessen wie geplant, sondern Müesli und fertig, aus.
Oder ein Erwachsener bleibt dort, hütet die Kinder, und der andere erledigt dringende Besorgungen eben allein."
- "Ja, war nicht so gut..."

"Ist ja gut, dass Ihr das einseht. Denkt bitte dran, den Fehler macht Ihr, und die Kleine muss es bei einem Unfall dann ausbaden. Das wollt Ihr nicht auf Euer Gewissen laden, Ihr habt die Kleine doch lieb!"

Die Jungs versuchen, meinem Blickkontakt auszuweichen. Aber sie bleiben stehen und hören mir zu, auch wenn es ihnen nicht gefällt, dass ich ihnen ihren Fehler auf den Kopf zusage.
Ob ich zu ihnen durchdringen kann und sie auf der emotionalen Schiene erwische? Es wäre wünschenswert, denn dass sie einen Fehler gemacht haben, ist ihnen auf der rationalen Ebene durchaus bewusst.

Männer kann man gut bei ihrem meistens angeborenen Verantwortungsgefühl packen, wenn man es wecken kann. Denn oft ist es verschüttet, es fehlt ihnen am Schritt zur Mann-werdung. In unserer Gesellschaft gibt es keine Initiation mehr, die sie emotional weiterbringt und ihnen hilft, sich zu entwickeln.
Bewusste Männer wollen ihre schutzbedürftiges Umfeld beschützen, weil dies ein Teil ihres Mann-seins ausmacht. Wie oft macht die Fürsorge für ein Kind aus einem Mann einen Menschen mit Vater- und Partnerqualitäten.
Genau das habe ich vor, zu erwecken.
Denn diese jungschen Männer mögen zwar volljährig sein, aber vom Erwachsensein sind sie noch weit entfernt.

"So eine kleine süße Maus, die ist doch bestimmt noch keine zwei Jahre alt, stimmts?"
Nicken.
"Und wie vertrauensvoll sie sich an Dich kuschelt, da geht einem das Herz auf. Die hat Dich wirklich gern, das sieht man.
Die Kleine kann noch nicht selbst entscheiden, ob und wie sie im Auto gesichert werden will. Das müsst Ihr tun als Erwachsene. Sie vertraut Euch doch auch in dieser Hinsicht und ist auf Euch angewiesen.
Wenn Ihr selbst meint, unangeschnallt fahren zu müssen, und Ihr geht beim Unfall drauf, dann ist das Euer Ding. Aber wie wollt Ihr weiterleben, wenn ihr die Kleine nicht sichert und es passiert etwas? Selbst wenn der andere Fahrer den Unfall verursacht: Wenn der Kleinen was passiert, seid Ihr die Schuldigen und werdet Eures Lebens nicht mehr froh."

- "War echt nicht so schlau von uns..."

"Nee, war es nicht. Aber Ihr habt Glück gehabt, es ist nichts passiert und ich glaube, Ihr werdet Euch jetzt auch bewusster um die Sicherheit der Kinder kümmern. Ihr habt die Chance, es besser zu machen. Ich will Euch auch nicht fertigmachen.
Aber ich weiß, wie es ist, wenn ein Kind auf dem Friedhof liegt und es macht keinen Spaß, es dort zu besuchen. Das verändert einen, da kann man dann nicht mehr gelassen die Klappe halten." (Dass es "nur" 4 Fehlgeborene waren, müssen die Jungs nicht wissen. Kind ist Kind.)

Erleichtertes Grinsen. Die hatten wahrscheinlich eine hysterische Gutmenschenmuddi erwartet, als ich rüberschlenderte.

"Wenn Ihr noch einen ordentlichen und praktischen Sitz für die Lütte braucht, mein Jüngster hat einen abzugeben. Ist zwar nicht mehr der schönste Sitz und der Bezug hat etwas gelitten, aber es ist ein Markenteil, unfallfrei und genau in der Größe, die die Süße brauchen kann. Hier ist meine Nummer, und ruft mich ruhig an. Ich schenk ihn Euch von Herzen gern, wenn ich weiß, dass er die Süße beschützt."

Ich gebe ihnen lächelnd meine Nummer, und der eine junge Mann schreibt sie sich auf. Er lächelt vorsichtig.

Vielleicht ist er nur froh, dass ich ihm und seinem Kumpel nicht gleich den Kopf abgerissen habe.
Aber:
Vielleicht habe ich auch sein Herz erreicht und dort etwas in Bewegung gesetzt, das den Kindern zugute kommen wird.

Man braucht ein Dorf, um ein Kind aufzuziehen. (afrikanisches Sprichwort)
Und Leute, die nicht wegschauen, sondern handeln.

Bitte handelt auch, wenn Ihr sowas seht. Die Kleinen brauchen uns und unseren wachen Verstand, denn sie können sich nicht selbst schützen, wenn ihre Bezugspersonen nicht für ihre Sicherheit sorgen.

Nachdenkliche Grüße,
Postpanamamaxi

1 Kommentar:

  1. Finde ich toll, dass du die Männer angesprochen hast und so diplomatisch mit dem Thema umgegangen bist... ich polter da meistens eher los... *leider*

    Bin gespannt, ob sie dein Angebot annehmen.

    Liebe Grüße
    Birgit

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