Freitag, 28. Januar 2011

Gott antwortet nicht: Nachtgedanken einer Mutter

Ein Mann hat Ärger im Beruf. Was niemand ahnt: Er ist wie ein Dampfkessel ohne Druck mit einem defekten Ventil.
Wenn normale Menschen Ärger haben, verschaffen sie sich Luft. Gehen Joggen. Holzhacken. Sprechen sich mit dem besten Freund oder der Partnerin aus. Heulen auf dem Klo. Hauptsache, der Druck wird weniger.

Andere mit schlechteren Affektkontrollen pöbeln die nächste Verkäuferin grundlos an. Oder sie besaufen sich sinnlos, verprügeln ihre Frau (Prinzip Blitzableiter, Agressionen werden in der Hackordnung nach unten weitergegeben - was für widerliche Schwächlinge zu so einer Maßnahme greifen!).

Manchmal endet sowas ganz tragisch, mancher tut sich im schlimmsten Fall (man denkt, es ist das schlimmstmögliche Szenario) selbst etwas an.
Als wenn ein Job und ein tobender Chef so wichtig wären, dass man so einen Schritt erwägt!

Einer hat anders reagiert.
Er suchte sich ein Opfer.
Nahm sich ein Kind, das wehrlos und ohne Arg war.
Und entfachte für einen kleinen Jungen das schlimmstmögliche Szenario, das man sich ausmalen kann. Und tötete ihn dann.

Nur um den aufgestauten Druck, den Hass, die Agressionen nach unten an einem Schwächeren auszuleben.  Mein Gehirn weigert sich, es sich allzugenau auszumalen. Es kann nicht so krank und so bösartig denken, verweigert lieber die Arbeit.

Ich bin Mutter zweier Jungs von 1 und 4 Jahren. Bildhübscher, fröhlicher und unschuldiger Jungen.
Und die eiskalte Hand der Angst greift nach meinem Herzen, und mein Verstand kann nichts dagegen tun.
Kein Selbstbehauptungstraining für Kindergartenkinder kann verhindern, dass solche Dinge jederzeit wieder geschehen können.

Der Täter, so sagt man, soll selbst traumatisiert gewesen sein. Aber kein Trauma dieser Welt gibt einem die Erlaubnis oder auch nur Milderung, wenn man dermaßen bösartig wird.

Jesus sagte "halte auch noch die andere Wange hin!"
Er wollte damit die Spirale aus Gewalt und Gegengewalt, die sich immer höher schraubt, durchbrechen.
Das alttestamentarische "Auge um Auge", das Gesetz der Rache sollte nicht mehr gelten.

Ich glaube, ich würde als Mutter im ersten Moment laut "Rache" schreien und diesem Menschen die Hölle auf Erden bereiten wollen.

Aber dann denke ich, dass ich zwei Kinder habe und dass ich in so einem Fall tatsächlich die Wange hinhalten würde, um das zweite Kind zu schützen. Eine Mutter darf nicht für Rache ins Gefängnis gehen, sie muss für ihre restliche Familie dasein. Väter übrigens genauso. Die Restfamilie muss zusammenhalten.

Mein Mitgefühl gilt den Eltern, und ich hoffe für den armen Jungen, dass wenigstens seine Seele Frieden finden konnte. Und dass sie, dort wie sie jetzt sein mag, die Kraft zur Vergebung aufbringen kann. Denn ich weiß nicht, ob es auf Erden Vergebung für solch eine monströse Untat geben kann.
Ich denke auch an die Ehefrau und die drei Kinder, die erfahren haben, dass ihr Ehemann und Vater ein Mörder ist, der Monströses getan hat.Wie soll man danach weiterleben, jemals wieder einen normalen Lebensalltag mit einer Prise Lebensfreude finden?

Was soll man tun?
Ich hoffe, der Mörder hat ein langes Leben, das er hinter Gittern verbringen darf. Damit er seine irdische Schuld ableisten kann, indem er jeden Tag seines restlichen Lebens erlebt, wie es ist, wenn einem das geliebte Leben und die Selbstbestimmung genommen wird.
Und vielleicht wird ihm in der Ewigkeit ja tatsächlich vergeben werden.

Und meine Jungs? Ich weiß nicht, wie ich sie schützen soll vor solchen Kreaturen. Ich stehe neben ihren Betten, beobachte sie beim Schlafen, ihre zarte Haut und ihre weichen Kinderhaare, ihre kleinen Hände und ihre weichen Lippen, die so herrlich nasse Kinderküsse großzügig verschenken.

Und ich danke Gott, dass ich sie habe, und ich bitte ihn, sie zu behüten. Aber das hat die Mutter jenes Jungen auch getan, und Gott hat den Mord mit seiner vielzitierten Allmacht nicht verhindert.

Ich frage nicht, wo Gott war, als der kleine Junge diesem Mörder in die Hände fiel. Ich frage auch nicht nach dem Warum. Gott würde mir jetzt keine Antwort geben. Und mir fällt keine ein. Nicht mal ansatzweise.
Alle Empathie, Intelligenz und Eloquenz verlassen mich in dem Moment.

Ich kann Gott nicht herbeierklären, hat unsere Pastorin neulich gepredigt, und heute verstehe ich, wie sie das meint.
Manchmal ist es ein Scheißjob als Seelenhirte, wenn ein guter Mensch einen schlimmen Tod findet, anstatt alt und friedlich zu entschlafen.

Es gibt Momente, da gibt es keine Antwort. Da kann man Gottes Plan nicht erklären, nicht mal vermuten.
Er entzieht ihn uns und unserer Einsicht.

Vielleicht gibt er die Antworten nur von Angesicht zu Angesicht, in der Ewigkeit.
Dort, wo hoffentlich Frieden für alle herrscht.

Schlaft gut, Ihr Kinder, im Himmel und auf Erden. Und schlaft gut, Ihr Eltern.

Postpanamamaxi

6 Kommentare:

  1. Danke...wie immer hast Du es auf den Punkt gebracht.

    Ebenfalls schlaflose Grüße
    Schweden

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  2. Wie kann ein Mensch einem anderen so etwas antun und erst recht einem wehrlosem Kind? Du hast recht man kann und will diese Gedanken am liebsten aus seinem Hirn verbannen und möchte nur seine Kinder vor all dem Bösen schützen.
    Ob solch ein Täter jemals wieder Frieden und Vergebung findet, ich weiß es nicht. Aber den Rachegefühlen, die tief aus unserem Inneren kommen, darf man bei aller Verständlichkeit nicht nachgeben. Die Be- und Verurteilung muss Sache der Justiz bleiben, sonst wird nur noch mehr zerstört.
    Ich muss vor allem an die denken, die zurückbleiben, die Eltern und die Familie des Täters. Wie schwer wird es für diese Menschen sein, weiter zu leben und wieder Freude und Liebe zu empfinden. Der Täter hat nicht nur das Leben eines Kindes zerstört, seine eigenen Kinder brauchen jetzt Hilfe um nicht daran zu zerbrechen.
    Ich glaube, das schwerste ist zu erkennen, dass wir auf die "WARUM"Frage keine Antwort bekommen. Vielleicht irgendwann aber nicht hier und jetzt.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  3. Ich hab Tränen in den Augen!

    Seit Tagen bin ich geschockt und höre mir die unfaßbaren Neuigkeiten an. Ein Mensch, der selbst Kinder großgezogen hat....

    Ja, wie soll man nur seine Kinder vor so etwas beschützen? Wenn ich an so etwas denke, fühlt sich mein Herz an, als ob es in einem kalten Schraubstock sitzen würde.

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  4. Man kann leider nicht hinter die Stirn eines Menschen schauen.

    Ich kannte jahrelang einen Mann, der dann eine junge Frau entführt, gequält und GsD freigelassen hat (sie muss jetzt allerdings mit dem Erlebten weiterleben) und sich dann selbst umgebracht hat. Einige Zeit später stellte sich heraus, dass er vor 25 Jahren noch ein junges Mädchen gequält und sogar getötet hat. Auch andere Tötungsdelikte im Umkreis werden jetzt neu geprüft. Keiner, der ihn kannte, hätte ihm so etwas zugetraut!

    Es ist schlimm, wenn sich Erwachsene an wehrlosen Kindern vergreifen. Unfassbar, unentschuldbar.

    Ich wünsche Deinen Jungs eine sorglose, behütete Kindheit wobei man nicht vergessen darf, sie auch auf das wahre Leben vorzubereiten.

    GLG
    Dagmar

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  5. Schneutz......Du findes wieder so schöne Worte um alles zu sagen, was irgendwo jeden von uns bewegt! Danke Dir dafür!
    Ich selbst bin keine Mutter, fühle aber immer mit allen Müttern dieser Welt und stehe dann so Ohnmächtig da, bei solch schlimmen Geschehen.
    Unsere Welt ist nicht mehr in Ordnung, Gewalt herrscht immer mehr vor und da würde auch die Androhung von härtesten Strafen nichts helfen.
    Eine Mutter hat es gewagt und im Gerichtssaal Rache am Mörder ihrer Tochter geübt. Sie hat ihn im Gerichtssaal erschossen, es war Marianne Bachmeier! Unser Rechtssystem erlaubt es natürlich nicht, was auch richtig ist, aber ich empfinde so: eine Mutter hat das Recht und ihre Strafe war auch sehr gering.

    liebe Grüße
    Dörte

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  6. Da hat man gleich wieder Pipi in den Augen, seufz......
    In solchen Momenten verstehe ich die Welt nicht mehr, zur Zeit sowieso nicht, man kann keine Nachrichten mehr sehen, überall Grauen....

    Und immer wieder verschwinden Kinder, immer wieder findet man sie, früher oder später.... meist nicht mehr lebend und es sind immer mehr Jungen als Mädchen, das Grauen hat sich etwas verändert. Inzwischen muss man ALLE Kinder schützen und kann es eigentlich nicht wirklich. Man kann die Kinder keine 24 Stunden bewachen. Man will es auch sicher nicht, sie sollen ja eigenständig werden, selbstständig werden.
    Mir tun beide Familien unendlich leid, auch deren Leben ist zerstört.
    Interessanterweise läuft ja zeitgleich die Disskussion ob man Wiederholungstäter endlos einssperren kann und darf, ob man Sexualstraftäter auf Staatskosten 24 Stunden überwachen darf...
    Ich denke man darf,kann und soll......

    Ich wünsche beiden Familien ganz viel Kraft udn Stärke.

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